Anreise
Nachdem mein Bein wieder geheilt war, getestet und für gut befunden wurde, machte ich mich wieder voller Vorfreude auf meinen Weg. Die letzte Etappe stand an.
Morgens um 6:30 holte mich Ingrid (die in Galicien ein paar Tage Urlaub geplant hatte) mit dem Wohnmobil ab und wir fuhren los. Die Stimmung war gut, die Autobahn Richtung Süden frei.
Kurz vor Freiburg meinte Ingrid, der 5. Gang springt.... Also raus und eine Werkstatt angefahren. Schlechte Nachricht. Anscheinend kommt es bei diesem Modell öfter mal vor, dass der 5. Gang kaputt geht. Was also machen? Nur im 4. Gang mit 80 die ganze Reise machen? Keine Option. Ich überliess Ingrid die Entscheidung - heimfahren und abbrechen oder heimfahren und aufs Auto umsteigen. So fuhren wir wieder zurück (mit 80 km/h im 4. Gang) und wechselten, nachdem wir das Wohnmobil bei der Werkstatt abgestellt und unser Gepäck umgeladen hatten, aufs Auto um.
Fing ja gut an. Mir schien, der Weg wehrte sich auf die letzten Kilometer.
Die 1. Nacht schliefen wir in der Nähe von Besancon im Auto. Und weiter ging es quer durch Frankreich. Spät am Nachmittag fanden wir am Rand der Pyrinäen ein kleines Hotel, wo wir die 2. Nacht verbrachten.
Wir überquerten die Pyrinäen auf einem kleinen Pass und fuhren dann auf der spanischen Seite über die Autobahn bis kurz vor Astorga, wo wir nochmals gemeinsam übernachteten.
1. Tag
Am nächsten Morgen fuhren wir die restlichen Kilometer nach Astorga rein, wo wir in einer kleinen Bar, bereits im Kreis einiger Pilger, frühstückten.
kurz darauf sind wir an der kleinen Einsiedelei ecce homo, wo ich kurz innehalte und für einen guten Weg bete.
ecce homo (siehe, da ist ein Mensch), so stellt Pontius Pilatus, der römische Statthalter, den gefolterten und gequälten Jesus dem Volk von Jerusalem vor.
Wir kommen gut voran. Anfangs ist es leicht bewölkt und es kommt auch ein kurzer Nieselregen auf, der aber schon bald von der Sonne vertrieben wird.
Bevor es nach Fonchebadon, unserem erklärten Etappenziel, hinaufgeht machen wir noch in Rabanal del Camino kurze Rast. Das Bier hab ich mir bis dahin schon verdient.
wir durchqueren Rabanal
Oh, oh ---- alle Herbergen sind besetzt. So mache ich mit Klara erstmal Pause und genehmige mir noch ein Bierchen. Was tun? Einer der Herbergsväter bei dem ich nachfrage meint, 2 Kilometer nach dem Kreuz (cruz de ferro) wäre eine Herberge, die auch Hunde aufnimmt. Das wären dann am Ende des Tages insgesamt 32 km.
Nun denn, das Kreuz war eigentlich erst auf der nächsten Etappe mein Zwischenziel gewesen, aber ich bin gut drauf. Auch Klara ist noch fit.
am Kreuz angekommen lege ich symbolisch mit meinem Stein alle meine Sorgen ab.
Diesen Stein habe ich vor vielen Jahren am Donauufer beim Kloster Weltenburg aufgelesen und seither auf all meinen Pilgerwegen mitgetragen. Er lag ansonsten immer griffbereit zuhause an meinem PC und ich konnte ihn immer, wenn ich nicht gut drauf war in die Hand nehmen und all meine Sorgen in ihn fliessen lassen.
Ich hab noch einen Stein vom Kloster Au, kurz hinter Einsiedel.....
....ich erkenne meine Stein
Klara und ich verlassen das eiserne Kreuz. Es geht wieder bergab. Wir treffen unterwegs auf "Luxuspilger" aus Reutlingen und Stuttgart. Sie sind mit dem Bus von Leon aus unterwegs Richtung SdC und laufen nur ausgesuchte, kürzere Strecken. Das kann jeder machen wie er kann und mag. Ich mach gemeinsam mit ihnen eine kurze Rast.
Vor uns sehen wir schon Majarin. Ein kleines, verlassenes Dorf. Fast nur noch aus Ruinen bestehend. Nur 2 Häuser sind noch einigermaßen bewohnbar. Dort wird von den Templern eine Herberge betrieben. Ohne Sanitäranlagen.....
Aber Klara und ich bekommen ein Zelt und so knnen wir etwas unterhalb ganz in Ruhe die Nacht verbringen.
Wir sind insgesamt neun Pilger, die anderen 8 schlafen in dem Haus nebenan.
wir bekommen von den Templern ein Zelt.
Einer der anderen Pilgern ist ein junger Pole, der im Mai in Posen gestartet ist. Ab Le Puy hatten wir den gleichen Weg.
mehr über die Templer:
der 1. Tag unserer letzten Etappe geht zu Ende.
2. Tag
Heute geht es (fast) nur steil bergab.
Ich wache kurz nach 6 Uhr auf. Leider war es nachts bewölkt, so dass ich keine Sterne sehen konnte.
Noch im Dunkel baue ich mein Zelt ab, verpacke es in der Hülle und lege es den Templern wieder in die Herberge.
Einsam wandern Klara und ich durch die rauhe Landschaft in den Morgen hinein.
wir erreichen El Acebo und ich gönne mir in der ersten Bar am Ortseingang ein kleines Frühstück.
Und wie ich mit dem Rücken zum Berg so dasitze und das Dorf vor mir so ansehe kommt der Wirt, ein recht junger, quirliger Mann, aus der Bar, schaut an mir vorbei Richtung Weg und ruft nach drinnen zu seiner Frau: "Oh my god, they´re coming"
und tatsächlich, als ich nach hinten schaue kommt eine Gruppe Pilger anmarschiert.
Dieser Ruf ist wohl sein tägliches Ritual....
in Molinaseca, mit seiner romantischen Brücke über den Río Meruelo, legen wir eine kurze Pause mit einem kleinen Bierchen ein
in Ponferrada geht unser Weg an der Templerburg vorbei hinaus in den Vorort Fuentenuevas. Dort kommen wir, nach 27 Tageskilometern, im Hotel Monteclaro unter.
Bild Quelle: www.spain.info
3. Tag
kurz hinter Camponaraya legen wir an einem Pilgerbrunnen die erste kurze Pause ein und ich fülle die Wasserflaschen neu.
kurz darauf passiert es.....
es fährt mir ins Kreuz
der Weg ist plötzlich entsetzlich lang.
Wieder schmerzt jeder Schritt.
Wieder muss ich überlegen wie es weitergeht.
Ich lass einen Hilferuf an Ingrid los.
Nachdem sie sich meldet machen wir einen Treffpunkt in Villafranca de Bierzo in der Herberge Ave Fenix aus, die ich auf meinem Plan mit "hundefeundlichen Herbergen" habe.
Noch lange 12 Kilometer.....
wir kommen in einem 4er-Zimmer unter.
Lukas, ein belgischer Pilger, ist unser Zimmergenosse
in der Herberge lebt auch ein Hund, Pomello. Er ist ganz verliebt in Klara, aber es ist wie immer ---- sie würdigt ihn keines Blickes.
gegen Abend, pünktlich zum Abendessen, trifft Ingrid ein.
Es geht weiter......
4. Tag
...mit dem Auto
Wir fahren immer am Jakobsweg vorbei, der stetig am Rande der Straße führt.
Schier endlos ist der Strom der Pilger. Das ist mir vorher, als ich ein Teil der Menge war gar nicht so aufgefallen.
Es geht hoch Richtung O Ceobreiro zur deutschen Herberge La Faba.
In der alternativen Herberge hole ich mir einen Stempel.
Den Gipfel umfahrfen wir und treffen wenig später am Alto de Polo wieder auf den camino. Kurz darauf erreichen wir Sarria, wo ich mir ebenfalls in einer Herberge einen Stempel hole.
Unseren ersten großen Halt machen wir in Portomarin. Wir besichtigen die Kirche und bummeln ein wenig durch die kleine, schön gerichtete Altstadt.
Nach einem Kaffe und einem Besuch in einer Auberge (Stempel) geht es wieder weiter.
In Melide und Salceda lasse ich mir die letzten Stempel in mein credencial geben.
Ein bisschen hab ich schon ein komisches Gefühl dabei.
Ich wäre gern den Weg bis zu Ende zu Fuß gegangen. Doch was nicht geht, geht nicht.
nach dem wir Santiago gestreift haben erreichen wir am Nachmittag Finisterre, wo wir Quartier beziehen.
Später gehts an den Hafen zum Bummeln
und zum Abendessen
5. Tag
Es geht noch im Dunkeln hinauf zum Kap. Pilger sind entlang der Straße zu Fuß den Weg hinauf.
Oben angekommen macht uns Ingrid auf dem Campingkocher einen Kaffee.
Langsam wird es hell. Die Sonne ist nicht zu sehen.
Nebel liegt über der dem Meer und dem Kap.
Es ist tatsächlich als wäre die Welt hier zu Ende.
danach fahren wir weiter nach Muxia
und auch da erwartet uns an der Kirche der Nebel
weiter führt uns unser Weg.
Wir landen in Malpica, an der Nordküste.
Dort beziehen wir ein kleines Hostel direkt am Strand.
Klara hat jede Menge Spaß und tobt den Strand entlang. Nur vor dem Wasser hütet sie sich. Ja nicht nass werden ist ihre Devise. Auch wenn Herrchen durch die heranlaufenden Wellen geht.
Morgen ist es soweit.
Langsam wächst der Gedanke in meinem Kopf.
Das Ende meines Weges.
Der letzte Tag
wieder machen wir uns im Dunkel auf den Weg. Es ist ja nur knapp 1,5 Stunden zu fahren.
Am Stadtrand von Santiago machen wir an einer kleinen Bar halt und trinken gemeinsam Kaffee.
Ich ziehe die Schuhe aus, da ich mir schon längere Zeit vorgenommen habe die letzten Kilometer barfuß zu gehen.
Dann schultere ich meinen Rucksack und mache mich mit Klara auf die letzten beiden Kilometer.
da ich eine Parallelstraße zum camino gehe bin ich mit Klara der einzige Pilger.
Bald schon sehe ich die Kirchturmspitze von San Francisco. Nur noch ein paar Meter.....
und dann bin ich auf dem Platz vor der Kathedrale.
Langsam überquere ich den Platz. Klara läuft ohne Leine an meiner Seite.
In meinem Kopf wirbeln all die Kilometer, all die Pilger, denen ich unterwegs begegnet bin durcheinander.
Erst nach einigen Minuten bitte ich eine andere Pilgerin ein Bild von Klara und mir zu machen.
Wir sind angekommen
Ich lasse die Atmosphäre des Platzes noch einige Zeit auf mich wirken.
Ingrid hat inzwischen einen Parkplatz gefunden und ist auch auf dem Platz eingetroffen.
Und so machen wir uns auf die Rückseite der Kathedrale, zum Eingang.
Klara darf nicht mit rein. Ich muss den Rucksack draussen lassen. Ebenso muss ich wieder Schuhe anziehen.
In der Kathedralle wird noch gebaut.
Ich begebe mich zum Apostel Jakob, streiche ihm über den Kopf und bedanke mich für den langen Weg.
Im Keller sehe ich mir den Schrein des Apostels an.
Ich beschliesse mir das Pilgerbüro, wo die Compostela ausgegeben wird, anzusehen. La Compostela ist eine Urkunde für religiös motivierte Pilger, die das Ende der Wallfahrt auf dem Jakobsweg bescheinigt.
Eine gute Idee, wie sich herausstellt.
Eine Menge Pilger ist vor dem Büro, das in der Nähe der Kathedrale liegt, versammelt.
Man muss eine Nummer ziehen. Gerade wird der Pilger mit der Nummer 319 aufgerufen.
Ich ziehe mir auch eine Nummer. Die 871. Oh je.
Ich beobachte den Betrieb und sehe, dass das Büro etwa 100 Pilger pro Stunde bedienen kann. Das heißt, wir müssen einige Stunden warten.
Die insgesamt 6 Stunden bringen wir mit einem kleinen Ausflug in einen Park, nochmals einige Zeit vor der Kathedrale sowie einem frühen Abendessen zu.
kurz bevor meine Nummer aufgerufen wird finde ich mich wieder im Pilgerbüro ein. Inzwischen treffe ich einen Pilger mit der Nummer 1111. Das Büro ist bis 20 Uhr geöffnet....
Die Nummer 870 wird aufgerufen.
Mein Hals ist ganz trocken, meine Hände zittern.
Die 871 wird aufgrufen. Das bin ich.
Ich trete an den Tresen zu einem etwa 35 jährigem Herrn (Oskar, wie er mir am Ende auf meine Frage sagt).
Ihm zeige ich meine gesamten credentials. Auch die vom Münchener Jakobsweg.
Oskar schaut sie alle durch. Erkundigt sich nach meinem genauen Namen und wo und wann ich genau gestartet bin. Diese Daten trägt er dann in die compostela ein.
Zwischendurch reicht er mir mit der linken Hand mit einer unglaublich unauffälligen Bewegung ein Taschentusch. Ich bin wohl nicht der einzige Pilger dem vor Ergriffenheit die Tränen kommen.
Am Abend machen wir noch einen kleinen Spaziergang, sitzen in dem einen und anderen Strassencafe und schauen uns die beleuchtete Kathedrale an.
Nun bin ich am Ende meines Jakobswegs mit Klara.
Ich möchte keinen Schritt missen.
All die Blasen, die ich mir gelaufen habe, die Wadenzerrung kurz vor den Pyrinäen, den Schienbeinbruch nach Burgos, die Kreuzschmerzen nach Ponferrada. All das ist nichts gegen die Erlebnisse, die ich mit Klara in all diesen Jahren hatte, nichts gegen die Begegnungen mit all den anderen Pilgern, nichts gegen die freundlichen Begrüßungen all der vielen Menschen die uns beide beherbergten.
All dies ist nun ein Teil von mir.
Mir bleibt ganz am Schluß nur noch all denen, die sich auch auf den Weg machen,
einen ebenso tollen, erlebnisreichen Weg mit vielen Begegnungen zu wünschen
Buen camino